Kulturschock für Spendenüberbringer aus Walldürn: Die Einwohner des südostafrikanischen Landes kämpfen an mehreren Fronten mit Krisen.
Deutschland und die ostafrikanische Republik Tansania trennen mehr als 6000 Kilometer Luftlinie – eine Distanz, die einen elfstündigen Flug bedingt. Diesen nimmt Anton Fach seit 2003 mehrmals im Jahr auf sich. Vor Ort vergewissert sich der Walldürner über den Einsatz der Spendengelder, die der „Hungermarsch“ erzielt hat. Zuletzt reiste er im November in das Land am Indischen Ozean. Mit der Rhein-Neckar-Zeitung sprach er über die Eindrücke einer Reise, die nicht nur aufgrund der Pandemielage eine besondere war.
Der „Kulturschock“ begann sofort nach der Landung. „Corona spielt in Tansania schlicht keine Rolle“, sagt Anton Fach. So werden weder Masken getragen noch Abstände beachtet. Ein möglicher Grund dafür ist, dass andere Risiken in der verhältnismäßig jungen Bevölkerung präsenter sind. „Die größere Gefahr bedeutet bei Temperaturen von 40 Grad Plus am Tag und 30 Grad Plus in der Nacht Malaria“, schildert Anton Fach. Die hohe Kindersterblichkeit und Missbildungen bei Neugeborenen, die auf Infektionen während der Schwangerschaft zurückzuführen sind, sieht der Walldürner als nur zwei der dramatischsten Folgen. Belastbare Infektionszahlen gibt es kaum.
Erschwerend kommt hinzu, dass Tansania kein staatlich organisiertes Gesundheitssystem aufweist. Informationen über Hospitalisierungen können nicht zurate gezogen werden, dafür mangelt es schlichtweg an Krankenhäusern. Und wenn sie vorhanden sind, sind sie kaum vernetzt. „Krankheitsfälle oder Spätfolgen müssen in der Familie irgendwie geregelt werden – oder auch nicht.“ Ob jemand wegen Malaria oder Corona stirbt, wird also nur selten erfasst.
Allerdings hatte die Reise nicht den Zweck, das Corona-Management Tansanias unter die Lupe zu nehmen. Vielmehr ging es Fach darum, einige Ziele des Hungermarschs zu verwirklichen. Dieser hatte im zweiten Pandemiejahr als Gottesdienst mit Länderausstellung stattgefunden. „Die Ereignisse ließen keinen klassischen ,Marsch’ zu“, merkt Anton Fach an und erinnert an den Gottesdienst in der Walldürner Basilika, den die „Young Musicians“ untermalt hatten.
Laptops für Hingawali
Erste Anlaufstelle in Tansania war die „Internetstation“ in Hingawali, für die Fach in Deutschland Laptops gesammelt hatte: Acht Computer, die das Walldürner Unternehmen Flaxa überholt und mit neuer Software bespielt hatte, brachten er und seine Begleiterin Maria Stolz-Günther als Handgepäck nach Tansania. Nun befinden sie sich in Räumlichkeiten der einstigen Pfarrhausgarage Hingawalis, die Einheimische zuvor saniert hatten. Dort sind die Computer für die Jugend zugänglich. „Kostenlos!“, wie Anton Fach klarstellt. „Hier geht es um den Erwerb von EDV-Kenntnissen, um Jugendlichen eine berufliche Perspektive in der Stadt zu ermöglichen.“ Stolz ist er auf die Pionierrolle der Aktion: „Wir sind in Tansania mit die Ersten, die ein solches Angebot auf dem Land realisieren.“
Enttäuscht zeigte er sich darüber, dass manche „Spender“ bei der Sammelaktion defekte und teils ausgeschlachtete Computer abgegeben hatten. „Diese mussten von Flaxa entsorgt werden“, so Anton Fach ernüchtert.
Die Internetstation wird von einem Lehrer betreut und hat ein Einzugsgebiet von 1500 Jugendlichen an drei Schulen Hingawalis. „Der Lehrer und die Einrichtung werden über die Spenden des Hungermarschs bezahlt“, betont Fach. Am Ende der Reise organisierte Fach einen Elternabend, um die Betreuung des Projekts zu regeln. Das klappte: „Wir haben fünf Helfer gefunden, die sich neben dem Lehrer um die Organisation kümmern.“
Schuluniformen, Lernmaterialien und Einrichtungsgegenstände finanziert
Überhaupt spielte das Engagement für die Kinder und Jugendlichen eine zentrale Rolle: Maria Stolz-Günther kümmerte sich etwa um neue Tafeln, 40 Stühle und 16 Tische für den Kindergarten, den der Förderverein 2013 eingerichtet hatte. Er wurde einzig von Spendengeldern finanziert. „Aktuell wird er von 70 Kindern besucht, die teils neue Schuluniformen erhielten – der Schneider nahm zweimal Maß“, blickt Fach zurück. Darüber hinaus erhielt die Primarschule in Hingawali eine dreistellige Anzahl neuer Schulhefte und Bleistifte.
Weiterhin schnitten Einheimische 500 Jungpflanzen für die Cashew-Felder frei. In Kleingruppen bearbeiteten sie tageweise 20 mal 20 Meter große Parzellen. „Für die mit Spendengeldern bezahlten Männer und Frauen sind solche Arbeiten die einzige Erwerbsquelle vor Ort“, merkt Anton Fach an. Für eine besonders bedürftige Familie in Hingawali baue der Verein aktuell ein Haus. „Der Rohbau steht bereits und wurde mit Mitteln des ,Hungermarschs’ bezahlt“, erklärt er. Das Haus sei „voraussichtlich im kommenden Jahr“ bezugsfertig.
Wenngleich die Organisation zuletzt „etwas kompliziert“ gewesen sei, blickt Anton Fach auf eine „sinnstiftende“ Reise zurück. „Die Zusammenarbeit mit der Bevölkerung vor Ort war gut“, betont er. Als bedauerlich bezeichnete er lediglich, dass der geplante Besuch in den Usambara-Bergen aus Zeitgründen nicht stattfinden konnte. Die für dortige Projekte bestimmten Spenden händigte Anton Fach an einen ihm persönlich bekannten Benediktinerpater aus, der sie an die Schwestern von Kwamndolwa und Ubiri sowie Pater Damian weiterleitet.
Impressionen aus Hingawali
Informationen zur Hauptversammlung 2021
Die für Dezember geplante Jahreshauptversammlung des Fördervereins für Missionsarbeit fällt aus. Die Versammlung für 2022 findet voraussichtlich im April in Hardheim statt. Der Vorstand wird nicht mehr kandidieren. Das Projekt „Hingawali“ will Anton Fach auf privater Basis weiterführen.
Erschienen in der RNZ am 06.12.2021 ; Angepasst von Föderverein
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